Die FAZ berichtet über eine Studie, die Forscher der Uni Gießen zusammen mit Kollegen aus Bochum, Potsdam und Kanada erstellt haben. Sie befasst sich mit der Frage, unter welchen Umständen sich Menschen über Vorschriften hinwegsetzen. Die 265 Probanden bekamen Aufgaben, gleichzeitig wurden ihnen Vorgaben gestellt.
Erstaunliche Erkenntnis:
Wenn die Mitarbeiter kontrolliert werden, brechen sie die Regeln häufiger als ohne Kontrolle.
Die Wissenschaftler geben in der Untersuchung eine Erklärung dafür: Wenn die Mitarbeiter nicht kontrolliert werden - nennen wir es mal provokativ „Vertrauen“ - handeln sie auf ethischer Basis. Sie entscheiden sich also aufgrund ihrer Werte, die Regeln einzuhalten und das in sie gesetzte Vertrauen zu bestätigen.
Wenn sie kontrolliert werden, handeln sie auf einer anderen Basis. Es entsteht eine Schadensabwägung, eine Art Gewinn-Verlustrechnung, was passiert, wenn ich die Regeln nicht einhalte. Der Nutzen des Vergehens wird gegen das Risiko abgewogen, erwischt zu werden. Im schlimmsten Fall entwickelt sich daraus ein Wettbewerb, wer der stärkere oder geschicktere ist.
Die Zweite Erkenntnis:
Es macht auch einen Unterschied, wie kontrolliert wird. Es fiel den Probanden deutlich schwerer, sich über Regeln hinwegzusetzen, wenn sie persönlichen Kontakt zum Kontrolleur hatten. Bei anonymen Fernkontrollen war die Hemmschwelle nicht so groß
Das alles klingt schlüssig und ich glaube, dass wir dem aus unserer beruflichen Erfahrung heraus bestätigen können. Wir waren alle auch mal beruflich in der Situation der Probanden oder sind es heute. Und wir wissen auch, dass Menschen unterschiedlich sind. Zum Glück.
Ich denke sogar, dass wir noch weiter gehen sollten: Diese Untersuchung geht davon aus, dass es gut ist, wenn die Mitarbeiter die Vorgaben erfüllen und die Regeln einhalten. Ich stelle das mal in Frage. Wir Chefs gehen immer davon aus, dass wir wissen, wie die Arbeit gut gemacht wird. Wir bezeichnen es als gute Arbeitsqualität, wenn die Mitarbeiter die Arbeit so machen, wie wir es vorgegeben haben.
Wir sollten uns da nicht so sicher sein. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass es Mitarbeiter in ihrem Bereich in vielen Fällen besser wissen, als wir. Wir sollten ihnen nicht nur das Vertrauen geben, dass sie es „richtig“ machen, sondern ihnen die Möglichkeit geben, es besser zu machen - auch wenn dabei Fehler passieren. Das ist dann der nächste Schritt: Fehlerkultur, ein eigenes Thema.