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ie meisten Mitarbeiter sind 1 bis 3 Wochen vor der Eröffnung da, räumen ein, bekommen die ersten und letzten Schulungen und bringen das Haus auf Vordermann. Wenn alles gut läuft hat man es gerade rechtzeitig zum Oktoberfest geschafft. Halleluja!
Die ersten Gäste kommen ins Hotel, wenn die Farbe an den Wänden in der Lobby noch nass ist. Während der erste Check In läuft, zieht der Maler unauffällig den letzten Eimer durch die Tür.
Das geht immer irgendwie, denn die meisten Mitarbeiter haben im Idealfall eine Ausbildung in der Hotellerie oder Gastronomie und sind an die schnelle Taktung und die wechselnden Anforderungen gewöhnt. In der Eröffnungsphase geht es meist hoch her, bis sich alles zurechtgerüttelt hat.
Die Herausforderung
Bei einem Inklusionshotel kommt eine zweite Herausforderung dazu: Fast die Hälfte der Mitarbeiter hat keine berufliche Ausbildung. Viele der behinderten Mitarbeiter, die in Inklusionsbetrieben eine Arbeit finden, hatten vorher nie eine „richtige“ Arbeit. Denn das ist bekanntlich eines der Ziele von Inklusionsbetrieben: Denen eine Chance zu geben, die es bisher nicht geschafft haben, auf dem „ersten“ Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir müssen also damit planen, dass wir lange brauchen, bis sich die Inklusionsmitarbeiter in die Strukturen eingelebt haben und die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erlernt haben.
Was aber, wenn wir die Türe öffnen und die Gäste strömen herein? Das Pre-Opening war gut, das Marketing erfolgreich und das Hotel ist von Beginn an gut belegt? Oder wir haben es gerade noch geschafft, rechtzeitig zur wichtigsten Messe den verzweifelt suchenden Gästen Zimmer zu guten Preisen anbieten zu können? Betriebswirtschaftlich wäre das das gewünschte Szenario, doch hätten wir dann nicht die notwendige Ruhe und Zeit, die Mitarbeiter einzulernen.
So dramatisch, dass wir das Hotel zu einem solchen Event eröffnen, müssen wir es nicht kommen lassen. Bei allen Erwartungen an gute Umsätze kann man eine Hoteleröffnung bei guter Planung so gestalten, dass das Hotel Zeit hat, sich zu ordnen, bis Arbeitswege und -Abläufe einigermaßen eingespielt sind. Oft geht der offiziellen Eröffnung ein Soft-Opening voraus, bei dem sich die Strukturen mit einer geringen Zimmerbelegung einspielen können.
Eine weitere Möglichkeit ist es, sich rechtzeitig die Hilfe von außen zu sichern, indem die Mehrarbeit durch kurzfristige oder geringfügige Beschäftigung abgedeckt wird. Ebenso können rechtzeitig für die Anlaufphase Verträge mit Dienstleistern abgeschlossen werden.
Option: Qualifizierung
Eine große Hilfe für den Start ist eine vorherige Qualifizierung der behinderten Mitarbeiter. Das gilt auch für den Fall, dass wir von einer Minderbelegung in der ersten Zeit ausgehen. Nehmen Sie rechtzeitig Kontakt mit den Kollegen in der Stadt oder der Region auf. Viele kooperieren gerne und bieten Praktika für die zukünftigen Mitarbeiter des Inklusionshotels an.
Das Programm wird von einer Sozialpädagogin, die das Programm von der Ausschreibung bis in den laufenden Betrieb hinein betreut. Sie ist es auch, die die Hoteliers und die Praktikanten begleitet.
Auf diese Weise bekommen Sie eine Chance, die Bewerber vorher kennenzulernen und auf die Arbeit im Inklusionshotel vorzubereiten. Es ist auch dann als positives Ergebnis für beide zu werten, wenn sie feststellen, dass für einen Bewerber die Arbeit im Hotel nicht das Richtige ist.
Ein weiterer wichtiger Effekt ist das Training der Mitarbeiter für das Verhalten im Hotel und den Umgang mit den Gästen. Sie verlieren frühzeitig die Angst vor dem Gast und gewinnen persönliche Sicherheit für ihre Arbeit im Hotel. Auf dieser Basis fällt das Lernen viel leichter.
Und ganz nebenbei ist es gelungen, dass herkömmliche Hotels ihre Arbeitswelt einmal für Menschen mit Behinderung geöffnet haben und im Idealfall eine Sympathie für diese Idee entwickeln. Für das Inklusionshotel ist es in jedem Fall gut wenn es eine gedeihliche Zusammenarbeit mit den Mitbewerbern gibt.
Beispiel: Hotel einsmehr Augsburg
Hotel einsmehr in Augsburg ist (in meiner Erfahrung) das erste Inklusionshotel, das ein solches Programm durchgeführt hat und damit sehr gute Erfahrung gemacht hat - obwohl wegen der Pandemie und der diversen Lock-Downs das Programm erheblich gekürzt werden musste und am Ende nicht viel Zeit vor der Eröffnung blieb.
Es ist ihnen nicht nur gelungen, viele Bewerber für das Programm zu gewinnen, sondern auch eine Grund-Qualifikation für die Hotelmitarbeiter schon für die Eröffnung zu haben. Das Programm war so erfolgreich, dass es 2021 erneut durchgeführt werden soll.
Mehr darüber erfahren Sie hier: https://hotel-einsmehr.de/2021/12/artdesign2/
Finanzierung
Einsmehr hat die finanziellen Ressourcen für das Qualifikationsprogramm durch die „Sternstunden“ des Bayerischen Rundfunks bekommen. Sie haben die Sozialpädagogin finanziert, die die Kontakte zu den Hotelkollegen aufgebaut hat und die behinderten Menschen die sich beworben haben, betreut und geschult hat. Der Nebeneffekt war eine prominente Präsentation des Hotelprojekts im Rahmen der Sternstunden-Gala zur besten Sendezeit.
Anregung an Aktion Mensch: Ein Förderprogramm für die Vor-Qualifikation der inklusionsmitarbeiter nach dem Vorbild des Hotel einmehr. Das wäre sehr hilfreich für den Start unserer Inklusionsbetriebe. Es würde die Eröffnungsphase für den Betrieb erheblich erleichtern und Härten für manche Bewerber vermeiden - insbesondere dann, wenn die Kunden das Angebot von Beginn an sehr gut annehmen.