"Wir sind überzeugt, dass jeder Mensch wertvoll für die Gesellschaft ist, wenn er sich mit seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten einbringen kann", sagt Martin Bünk, Inhaber und Geschäftsführer von Inc’otels. Als Diplom-Betriebswirt der Hotellerie hat er seit 2003 mehrere Inklusionshotels aufgebaut und geleitet. Seit 2015 begleitet er mit Inc’otels Sozialverbände, Politik und Investoren als Fachpartner bei der Gründung und Entwicklung von Inklusionshotels. „Inklusion ist ein gesellschaftlicher Auftrag“, betont Bünk.
Gerade in der Hotellerie gibt es laut dem Geschäftsführer überdurchschnittlich viele Möglichkeiten, Menschen mit Beeinträchtigung einzusetzen. So könnten sie in den Inklusionshotels in allen Abteilungen arbeiten. Wichtig sei nur, die individuellen Stärken herauszufinden und entsprechend sinnvoll einzusetzen.
„Ein Rollstuhlfahrer wird nicht auf einer Etage arbeiten können. Es spricht aber nichts dagegen, ihn am Empfang einzusetzen, wenn er mit dem Computer arbeiten kann und Englisch spricht. Dagegen muss der Mitarbeiter auf der Etage körperlich fit sein, aber nichtzwingend lesen und schreiben können“, verdeutlicht Bünk.
Was ist ein Inklusionshotel?
Ein Hotel, das sich offiziell „Inklusionshotel“ nennen darf, muss ein paar Voraussetzungen erfüllen, die hauptsächlich in § 215 SGB IX geregelt sind. Dort ist eine Quote von mindestens 30 Prozent Menschen mit Schwerbehinderung festgelegt.
Fast alle Inklusionshotels, die bisher am Markt sind, sind laut Martin Bünk von Sozialverbänden geführt und gemeinnützig. Als gemeinnützige Betriebe müssen sie sogar 40 Prozent behinderte Mitarbeiter beschäftigen. Dafür bekommen sie für den Start laut Bünk Fördermittel. Allerdings laufen diese in der Regel nach fünf Jahren aus, sodass sich derBetrieb danach selbst tragen muss.
Ein positiver Einfluss auf das Team
Man dürfe sich jedoch auch nicht täuschen lassen: „Mitarbeiter mit Handicap zu beschäftigen ist zwar nicht das direkte Mittel, den Arbeitskräftemangel zu beheben“, betont Bünk. Die Einstellung behinderter Menschen kann erfreuliche Effekte auf das Arbeitsklima, die Motivation und die Außenwirkung haben.„Erfahrungsgemäß hat es einen starken positiven Einfluss auf das Team, einen eingeschränkten Mitarbeiter dabei zu haben“, erklärt der Inc’otels-Inhaber.
Auch für die nicht gehandicapten Kollegen verändere es beispielsweise die Art, miteinander umzugehen und miteinander zu arbeiten. Er bezeichnet dies als "menschliche Entschleunigung", die sich positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit und -treue auswirkt.
Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Mitarbeiter vorher eingebunden und in die Entscheidungen miteinbezogen werden.
Angehenden Arbeitnehmern ist Vielfalt und Inklusion wichtig
Vielen Arbeitnehmern und vor allem der jungen Generation scheint es wichtig zu sein, dass Menschen mit Beeinträchtigung die gleichen Chancen eingeräumt werden wie allen anderen Arbeitnehmern. „In allen Umfragen, Forschungen und Ratgebern wird darauf hingewiesen, dass die Menschen der Generation X, Y und Z nach dem Sinn bei der Arbeit fragen. Mit der Beschäftigung von Menschen mit Handicap geben Sie den Mitarbeitern einen Sinn. Das erhöht die Motivation erheblich“, erklärt Bünk.
Erst eine kürzlich veröffentlichte Studie der IU Internationale Hochschule in Erfurt bestätigt dies. Sie hat ergeben, dass auch angehenden Arbeitnehmern Vielfalt und Inklusion bei ihren zukünftigen Arbeitgebern wichtig ist. Etwa drei von vier befragten Studenten undAuszubildenden gaben dabei an, dass es ihnen sehr wichtig oder eher wichtig sei, dass ihr künftiger Arbeitgeber Maßnahmen in dem Feld ergreift.
Für Firmen stellen Vielfalt und Inklusion also auch bedeutende Faktoren dar, wenn es um den Kampf um die Fachkräfte von morgen geht.
100 Prozent gute Erfahrungen
Dass es den Mitarbeiterteams aber insgesamt guttut, sich mit dem Thema Inklusion und dendamit verbundenen Social Skills zu beschäftigen, zeigt das Hotel einsmehr in Augsburg. Das einsmehr ist einer der ersten Inklusionsbetriebe in Bayern, in dem vor allem
Beschäftigte mit einer geistigen Beeinträchtigung arbeiten. Träger des im November 2020 in Augsburg eröffneten 75-Zimmer-Hotels ist der Verein einsmehr e. V. – Initiative Down-Syndrom für Augsburg und Umgebung. Im einsmehr sind 24 Personen angestellt, von denendie Hälfte eine Einschränkung besitzt.
Die Motivation, Menschen mit Beeinträchtigung einzustellen, ist laut der stellvertretenden Hoteldirektorin Sandra Huerga Kanzler leicht erklärt: „Jeder Mensch – egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung – hat ein Recht auf Arbeit. Seinen Fähigkeiten und Ausbildung entsprechend können sich Menschen selbstverständlich – ob mit oder ohne Handicap – auf freie Stellen bewerben und haben ein Recht auf ein ordentliches Auswahlverfahren.“
Mit der Integration von Menschen mit Einschränkung hat sie bisher nach eigener Aussage zu 100 Prozent gute Erfahrungen gemacht. Zwar könne es auch mal sein, dass es mit der Zusammenarbeit im Team oder aufgrund der Leistungsminderung, welche vielleicht höher war als erwartet, nicht klappt – „Das kann aber auch bei neuen Kollegen OHNE Beeinträchtigung der Fall sein“, stellt Huerga Kanzler heraus. „Alles in allem sind die Mitarbeiter mit Handicap aber ein Gewinn für jedes Unternehmen, wenn der Wille und die Motivation von Anfang an auf allen Seiten stimmen“, betont sie.
Im Vergleich zu seinen Mitbewerbern stehe das einsmehr seit nun vier Jahren wirtschaftlich sehr gut im Markt. „Wir können sicher sagen, dass wir teilweise produktiver arbeiten als vergleichbare Betriebe“, stellt Huerga Kanzler heraus.
„Einfach machen!“
Hotels, die ebenfalls diesen Weg gehen wollen und interessiert daran sind, Mitarbeiter mit Beeinträchtigung einzustellen, rät sie: „Einfach machen! Nicht zu viel nachdenken ‚was wäre, wenn?‘ – einfach machen und dann schauen: ‚Was brauchen wir, was benötigen die Beschäftigten?‘“ Das Wichtigste sei jedoch, dass alle anderen Teammitglieder die Entscheidung mittragen. So betont auch Martin Bünk, dass es hauptsächlich menschliche Faktoren sind, die den Erfolg eines inklusiven Teams bestimmen.
„Die Hoteliers können sich immer an die örtlichen Sozialverbände wenden. Die freuen sich meistens über Kooperationen mit der ‚Wirtschaft‘“, rät Bünk zudem.
Wenn bauliche Anforderungen bestehen oder bei der Einrichtung Änderungen vorgenommenwerden müssen, werden die Kosten in der Regel getragen. So sind z. B. die meisten Rezeptionen nicht barrierefrei, also auch nicht barrierefrei für Mitarbeiter – es fehlt der Empfangstresen in Schreibtischhöhe.
Eine große Hilfe können laut Bünk zudem die „einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber“ sein, die es seit diesem Jahr bei allen Inklusionsämtern gibt. Die Inklusionsämter gibt es in jedem Bundesland. Auch wenn es sich „Amt“ nennt, bekommt man dort laut Bünk in der Regel unbürokratische Hilfe.
Inklusion stellt Menschlichkeit und Wertschätzung in den Vordergrund
Die Inklusion von Menschen mit Handicap in der Hotellerie ist nicht nur ein gesellschaftlicher Auftrag, sondern auch eine Chance für Unternehmen, ihr Team vielfältiger und motivierter zu gestalten. Gerade die Erfahrungen von Sandra Huerga Kanzler und dem Hotel einsmehr zeigen deutlich die positiven Auswirkungen, die die Beschäftigung von Menschen mit Einschränkung mit sich bringt.
Inklusion ist letztlich ein Prozess, der Menschlichkeit und Wertschätzung in den Vordergrund stellt und zugleich die Vielfalt und Effektivität der Teams stärkt. Es ist ein Weg, der nicht nur den beeinträchtigten Beschäftigten, sondern der gesamten Belegschaft und letztendlich auch den Gästen zugutekommt.